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Generation Google

Reto Anderhub über das Online­geschäft in der Schmuckbranche. Publiziert in der GyrNews, die Kundenzeitschrift der Gyr Edelmetalle AG.
Generation Google

Das digitale Zeitalter nimmt es in unserer Branche eher gelassen. Während anderswo Onlineshops und aufwendige Webseiten längst die Regel sind, bilden Goldschmiede mit E-Shops noch eher die Ausnahme. „Schmuck verkauft sich nicht über das Internet“, sagen viele. Wir zeigen auf, warum die Onlinepräsenz trotzdem bald überlebenswichtig werden könnte.

Kennen Sie den Ausdruck „Digital Natives“? So werden Menschen bezeichnet, die in der digitalen Welt – mit Computer, Tablet und Handy – aufgewachsen sind. Mit einem Durchschnittsalter von 48 Jahren gehört nur eine Minderheit der Schweizer Schmuckschaffenden zu diesem Teil der Gesellschaft. Naturgemäss ist daher die Wahrscheinlichkeit gross, dass Sie als „Digital Immigrant“ (digitaler Einwanderer) die folgenden Zeilen mit Skepsis lesen.

Neue Dienstleister finden, Einkäufe tätigen, Termine vereinbaren: Für die digitalen Eingeborenen finden diese Sachen ganz selbstverständlich online statt. Wer in seiner Jugend noch ein Telefon mit Wählscheibe bedient hat, kann solche Verhaltensmuster kaum noch nachvollziehen. Doch wussten Sie, dass die digital Natives bereits im Jahr 2020 die Mehrheit der Konsumentinnen und Konsumenten stellen werden?

Studien von grossen Unternehmen wie PriceWaterhouseCoopers oder der Boston Consulting Group kommen bereits heute zum Schluss, dass die Online-Umsätze in vier bis fünf Jahren neue Höchstwerte erreichen. Sie weisen ausserdem darauf hin, dass früher Produkte wie Möbel oder Lebensmittel im Internet als unverkäuflich galten. Tempi passati!

Wir hinken hinterher

„Der Schweizer Detailhandel hat Online völlig verschlafen“, liess sich Globus-Chef Thomas Herbert kürzlich in einem Bilanz-Artikel zitieren. Nicht zuletzt deswegen konnten ausländische Riesen wie Zalando hierzulande erfolgreich Fuss fassen. Doch inzwischen ist man erwacht – nicht nur in den Kleiderläden. Jean-Claude Biver, Uhrenchef bei LVMH, gibt sich Anfang März in der Handelszeitung überzeugt: „Es führt kein Weg am E-Commerce vorbei!“ Er plant für 2018 einen Onlineshop für Marken wie Hublot und TAG Heuer.

Was Experten bereits heute behaupten, wird spätestens 2020 zur Tatsache: Wer nicht im Web präsent ist, existiert nicht. Das heisst nicht, dass bis dann jeder Goldschmied und jede Bijouterie einen Onlineshop betreiben muss. Vielleicht behalten die Skeptiker Recht und auch die digitale Generation will Schmuck in den Händen halten, bevor sie ihn kauft. Doch damit das passieren kann, muss das stationäre Geschäft vom Kunden gefunden werden – und dies geschieht zunehmend über das Internet.

Die optimale Mischung

Paradebeispiel für Online-Zweifler ist der Schweizer Vorreiter in Sachen E-Commerce, Digitec. Als reiner Onlinehandel gestartet, verfügt die heutige Migros-Tochter aktuell über neun Filialen, wo man Geräte auf Herz und Nieren prüfen kann. Eine kurze Internetrecherche zeigt, dass das Konzept von Digitec aufzugehen scheint: 2014 war man mit einem Umsatz von über einer halben Milliarde Franken absoluter Spitzenreiter bei den B2C-Onlineshops in der Schweiz.

Diese Mischung zwischen moderner Onlinepräsenz und stationärem Verkaufsgeschäft scheint geradezu prädestiniert für einen Markt wie die Schmuckbranche, wo fast jeder Anbieter über ein kreativ-stilvoll eingerichtetes Ladengeschäft verfügt. Fehlt nur noch der passende Auftritt im Netz!

Virtuelles Schaufenster

In den Anfängen des Internets waren die Anforderungen an eine Webseite gering: zwei, drei Seiten über Geschäft und Produkte, ein paar schöne Bilder, Kontaktdaten und Anfahrtsweg – fertig war der komplette Auftritt. Das reicht längst nicht mehr. Search Engine Optimization (SEO),zu Deutsch Suchmaschinenoptimierung entscheidet heute darüber, ob ein Produkt oder ein Anbieter im Web gefunden wird oder nicht. Für diese Optimierung ist einiges an Aufwand nötig: Immer aktuelle Inhalte, relevante Verlinkungen oder Einbindung von sozialen Medien sind nur einige Punkte einer endlosen Liste, die es zu beachten gilt. Für Laien ist diese Hürde zu gross, professionelle Agenturen sind gefragt. Doch diese rechnen mit Ansätzen ab 150 Franken pro Stunde. Aus der Traum von der zukunftsorientierten Geschäftsstrategie also? Das wäre fatal, denn die grossen Schmuckmarken investieren Unsummen in die Marketingkommunikation, insbesondere online.

Den Fortschritt zu Nutze machen

Ein möglicher Lösungsansatz wäre ein gemeinsames digitales Schmuckportal der Schweizer Schmuckschaffenden. Eine Plattform, auf der sie sich und ihre Kreationen präsentieren – ohne grossen finanziellen und personellen Aufwand. Solch eine Seite kann und muss der oberste Treffer sein, wenn jemand auf Google nach Schmuck sucht. Hier würden Schmuckbegeisterte die Designerin finden, die ihren Geschmack trifft. Oder den Goldschmied, der das Wunschstück bereits an Lager hat. Auf solch einer Seite könnte man sein Geschäft professionell einem breiten Publikum präsentieren, ohne dass man sich über hohe Ausgaben und endlose Schreibtischarbeit den Kopf zerbrechen muss.

Denn bei aller Skepsis gegenüber dem gesellschaftlichem Wandel: Wer den Fortschritt ignoriert, bleibt irgendwann stehen, während die anderen vorbeiziehen. Es gilt, die demografischen Veränderungen zu berücksichtigen und die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen. Wenn sich die Suche nach dem perfekten Trauring von der Ladengasse ins Netz verschiebt, muss man die Schaufenster online stellen! Aus traditioneller Sicht käme ein digitales Schmuckportal einem grossen Einkaufscenter mit ausschliesslich Schmuckläden gleich.

In ihrer ersten Ausgabe dieses Jahres berichtete die deutsche Goldschmiedezeitung (GZ) über ein Onlineportal mit dem Namen juweliere.de. Hier trifft der Konsument auf eine grosse Auswahl Schmuck und Uhren. Ein Klick genügt, um auf die Webseite des entsprechenden Verkaufsgeschäfts zu gelangen. Ein Mitinitiant des Portals, Juwelier Marius Schafelner, gibt sich in der GZ überzeugt, dass sich der Aufwand für einen Webauftritt lohnt. „An einer Online-Strategie führt kein Weg vorbei“, sagt er – und bläst damit ins gleiche Horn wie Uhrenzampano Biver. Jedoch müsse sich der Goldschmied online mit der gleichen Leidenschaft einsetzen wie im Ladengeschäft, damit das Schaufenster Internet funktioniere.

Was sind eigentlich Tags?

Hashtag, Metatag, Feiertag? Wir frischen Ihr Wissen auf und zeigen, welche Tags wann am sinnvollsten genutzt werden.

21. April 2017